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  • stefanjeichler

Die Blue Man Group - Eine Renzension

Aktualisiert: 12. Okt. 2022

Liebe hoch wohlgesonnene Leser*innenschaft, ich habe mir die Blue Man Group im September 2022 im Rahmen eines Berlintrips angeschaut. Lest dazu auch DIESES REISEJOURNAL um den kompletten Trip nachvollziehen zu können.



Seit 16 Jahren performt die Blue Man Group im Berliner Bluemax Theater am Marlene-Dietrich Platz Nummer 4. Es ist nur wenige Gehminuten vom U- und S-Bahnhof Potsdamer Platz entfernt. Dennoch musste ich mich ein wenig von Google Maps leiten lassen um nicht neben all den Wolkenkratzern den Überblick zu verlieren.



Das Theater selber: Bluemax Theater von Stage Entertainment

Präsentiert wird die Blue Man Group vom "Stage Entertainment", einem Unternehmen dass mehrere Spielhäuser in ganz Deutschland betreibt. Am bekanntesten sind wohl die Häuser im Hamburger Hafen, wo Der König der Löwen oder auch neuerdings die Eiskönigin aufgeführt wird.



Tatsächlich würde ich sagen, während die Spielhäuser in Hamburg, Stuttgart und Oberhausen modern und edel wirken, ist die Berliner Stage Bühne etwas abgenutzt und wirkt leicht improvisiert. Schon alleine dadurch, dass die Besuchenden mehrere Rolltreppen hochfahren müssen um zum eigentlichen Bühneneingang zu kommen. Für Barrierefreiheit ist aber auch hier gesorgt, denn neben den ausgewiesenen Plätzen für Rollstuhlfahrende muss es entsprechend auch einen Aufzug geben. Leider habe ich diesen aber nicht bewusst wahrgenommen. Insgesamt ist der Besucherraum auch deutlich kleiner, als in den anderen Häusern. Fairerweise muss gesagt sein, dass die anderen Häuser eigens gebaute Theater sind und hier wahrscheinlich einfach eine Bühne in den vorhandenen Platz des Gebäudes eingebaut wurde.



Die Garderobe kostet 2 € pro Stück. Für Jacke und Regenschirm, habe ich also 4 € bezahlt. Meiner Meinung nach sollte die Garderobe als Serviceleistung kostenlos sein, wenn eins knapp 100 € für ein Ticket ausgegeben hat.


Ich habe keine dezidierte Bar wahrgenommen, aber es gab Menschen die mit einem Bauchladen herumgelaufen sind und Getränke und Popcorn verkauft haben. Tatsächlich muss es aber sicherlich irgendwo eine Bar gegeben haben. Das kann ich mir anders gar nicht vorstellen, wenn man die anderen Häuser von Stage Entertainment kennt. Die Barpreise kenne ich nun natürlich nicht, aber es werden sicherlich apothekenübliche Preise veranschlagt werden.


Die Show

Die Show selber gliedert sich in zwei mal eine Stunde mit ca. 20 Minuten Pause in der Mitte. Es gibt wiederkehrende Themen, aber keinen konkreten Handlungsfaden in den Geschehnissen auf der Bühne. Themen sind hier vor allem die Wahrnehmung des Menschen. Dazu werden unter anderem optische Phänomene erläutert wie z. B. die Trägheit des Auges um flüssige Animation zu erklären, oder wie das menschliche Auge funktioniert.

Musiker und Darsteller waren nach der Show im Foyer anzutreffen, wo sie Spenden sammelten. In meinem Fall für Betroffene des Angelman Syndroms.
Musiker und Darsteller waren nach der Show im Foyer anzutreffen, wo sie Spenden sammelten. In meinem Fall für Betroffene des Angelman Syndroms.

Stilmittel sind bei allen Aktionen vor allem Musik, Licht und Farbe. Farbe im Sinne von Licht aber auch im Sinne von flüssiger Farbe, die aus allen Ecken und Enden herbeigeholt wird. Die drei Hauptaktionisten in Blau werden von einer vierköpfigen Band begleitet die mit rockigen Sounds die Performance der Blauen Männeken untermalt.


Da die Blue Man Group bereits seit 16 Jahren in Deutschland ist, gibt es entsprechend auch viele Clips von Ihnen im Internet und da ich als junger Mensch tatsächlich von Anfang an begeistert von der "Röhrenmusik" war, habe ich entsprechend schon einiges von der Show gesehen. Dennoch gab es noch viele, teils experimentell wirkende Showelemente, die ich nicht kannte oder vorhersehen konnte.


​Die hier eingebetteten Videos habe ich exemplarisch von You Tube gesammelt. Sie stellen bis auf eines nicht die Berliner Show dar, da es weltweit verschiedene Ensambles der Blue Man Group gibt. Versteift Euch also nicht darauf, genau dieses Showelement zu sehen.

Das Bühnenbild ist grundsätzlich minimalistisch und zweckmäßig, damit nichts von der eigentlichen Show ablenkt. Grundsätzlich ist erstmal alles schwarz angestrichen. Die Ausnahme bilden die Röhreninstrumente, die alle weiß sind, bzw. mit fluoreszierender Farbe angestrichen sind und an mehreren Stellen angestrahlt werden. Das Minimalistische lässt daher natürlich die Farbeffekte um so mehr ins Auge springen und bildet starke Kontraste.



Teil1

Die Show besteht aus einzelnen, in sich geschlossenen, aber flüssig ineinander greifenden Acts die entweder ein artistisch visuelles Thema haben, ein akustisch, musikalisches Thema haben oder Zuschauerinteraktion bieten.


... ja ganz recht. Es gibt viel, wirklich viel Zuschauerinteraktion. Ich finde die Komik, die solche Interaktion bietet ehrlich gesagt altbacken und wirkt vor allem durch den Bruch der vierten Wand gleichzeitig beängstigend und belustigend. Da die Show auf der Bühne immer wieder mit flüssiger Farbe arbeitet und auch gerade am Anfang gerne Dinge in den Mund genommen werden, spielt natürlich neben dem awkward Erlebnis "hoffentlich machen sie jetzt nichts mit mir" vor allem der Ekelfaktor eine Rolle.


Kunst ist natürlich Kunst und Kunst spielt gerne mit Tabus und gesellschaftlichen Regeln, jedoch gab es für mich Punkte, gerade am Anfang der Show, die ich besonders in Coronazeiten schlicht nicht mehr durchführen würde, oder zumindest die Zuschauerinteraktion rausgestrichen hätte.


Die Show beginnt mit einer Nummer, in dem dem einen Blue Man Farbkapseln zugeworfen werden, die dieser mit dem Mund auffängt, zerbeißt und auf eine Leinwand spuckt, während der andere Marshmallows in den Mund geworfen bekommt. Das Publikum wurde auch mit Marshmallows bedacht. Sie wurden großzügig in den Zuschauersaal geworfen. Der Marshmallow schluckende Blue Man Group sammelte eine riesige Ladung Marshmallows in seinem Mund, drückte sie sich in den Rachen und presste die gesammelte Masse vornübergebeugt auf eine Leinwand, sodass sie organisch geformt stehen blieb.



Erster Punkt: Ich nehme doch nichts in den Mund, dass mir ein fremder Mensch zuwirft! Erst recht nicht von einer Bühne, wo sowieso alle schwitzen wie hulle. Ekelisch!


Zweiter Punkt: Das gespuckte Bild wurde ans Publikum verschenkt. Ernsthaft? Zu Coronazeiten?


Dritter Punkt: die HNO-Skulptur wurde einer Zuschauerin in ihre Handtasche gekippt. Wenn das wahr ist, wäre das meiner Meinung nach Sachbeschädigung und sollte zumindest mit der Reinigung der Tasche und der darin befindlichen Gegenstände bezahlt werden. Ich glaube jedoch, dass dieser Punkt gestaged war, denn die vermeindliche Besitzerin der Tasche war wenig beeindruckt von der Aktion.


Vierter Punkt: Zu einem späteren Zeitpunkt stiegen die drei Blauköpfe über die Sitze und Treppen ins Publikum und interagierten mit den Zuschauern. Bei einer Interaktion wurden dem einen Blue Man wieder Marshmallows in den Mund geworfen, jedoch spuckte der Blue Man diese Marshmallows dem Zuschauer direkt in die Hand. CORONA?! COVID?! VIREN ALLGEMEIN?


Bei aller Liebe zur Kunst, diese Aktionen sind absolut nicht mehr zeitgemäß und gehören meiner Meinung nach ersetzt!


Aber genug der Kritik, denn der Rest der Show war sehr schön anzusehen. Ich mochte auch die Acts, die immer wieder mit der Grenze der Zuschauer gespielt hat. Es wurde z. B. angedeutet einen mit Farbe gefüllten Ballon so dicht vor dem Publikum abzufeuern, so dass die ersten zwei Reihen sicherlich davon betroffen gewesen wären. Ich saß übrigens in der Mitte der vierten Reihe... ein zwei Reihen weiter hinten, hätte mich ein wenig sicherer fühlen lassen.


Zu spät gekommene Besucher wurden mit Scheinwerfer, einer Melodie für "Zuspätkommer" und Videoübertragung auf die große Leinwand, auf der Bühne bloßgestellt. Natürlich ist zuspät kommen immer kacke und auch respektlos gegenüber den Künstlern, aber WOW... diskret zum Platz gebracht werden hätte es auch getan. Auch dieser Teil muss gestaged worden sein, denn der Zeitpunkt muss genau auf das Bühnengeschehen abgestimmt gewesen sein.


Die erste Hälfte endete mit der Röhrenorgel un dem einzigartigen Sound, dass dieses improvisierte Instrument macht, wenn die Darstellenden mit Paddeln auf die Öffnungen schlagen. Alles was mit Musik zu tun hatte war insgesamt fantastisch gelöst und lud zum mittwippen ein.


Der Saal war nicht voll besetzt, und ich glaube das war Absicht, denn die Darstellenden liefen ungehemmt über die Rückenlehnen ins Publikum. Eine Reihe hinter mit fing es plötzlich an auf einen leeren Platz zu tropfen. Ein Blue Man reichte der Person auf dem Platz eine alte Waschbütt und einen Waschlappen um das Wasser aufzufangen. Dieser Showact war der Auftakt um eine Katastrophe auf der Bühne zu inszenieren, bei der die Künstler von der Bühne flohen um die Pause einzuleiten.


Teil2

Zugegeben, ich habe einiges an der ersten Hälfte kritisiert, und das obwohl ich die Show insgesamt trotzdem toll fand, aber die zweite Hälfte war definitiv deutlich besser für meinen Geschmack. Mehr Musik, weniger awkward Zuschauerinteraktion aber dafür deutlich mehr Party.



Party? Ja Party indeed! Ich will nicht mehr zu viel von der Show verraten, aber das große Finale ging mit einer totalen Eskalation einher. Plötzlich regnen weiße und gelbe Luftschlangen von der Decke, riesige leuchtende Bälle fallen von der Decke zu eingesetzter Techno-Musik und ein Blue Man feuert mit zwei Klopapierkanonen .... nun... Klopapier in die Menge.



Auf spontaner Weise wurde so das Publikum zu einem fünf Minuten Rave und das nach einer Interaktion, indem die Blue Man Group das gesamte Publikum zum Tanzen aufgefordert hat.


Fünfter Punkt: Eine Grenzüberschreitung möchte ich an dieser Stelle noch erwähnen, die gerade Opfer von sexualisierter Gewalt wissen sollten, wenn sie in die Show gehen wollen würden. Ein Blue Man findet an einem bestimmten Punkt zwei Leuchtstäbe mit dem er anscheinend nicht nur seine blauen Kollegen fernsteuern kann, sondern auch das Publikum. Es kommt zu einem Punkt, an dem die Blaumänner das Publikum zum Tanzen auffordert. Es bildet sich eine Polonaise, bei dem die hintere Person aufgefordert wird ihre Arme auf die Schultern der Vorderperson zu legen. Davon abgesehen, dass ich ein Mensch bin, der nicht gerne von fremden Leuten angefasst wird (auch hier wieder absichtliches Spielen mit persönlichen Grenzen), machen die Blue Men auf der Bühne den Witz, dass das ferngesteuerte Publikum nun der Vorderperson an den Hintern greifen soll. Es wurde im Publikum gelacht und ich hoffe es hat niemand getan! Ich habe mich jedoch nur schnell umgedreht und sagte: "Bitte nicht!"



Resumé

Hat mir die Show gefallen? Ja, absolut.

Würde ich sie wieder besuchen, wie z. B. eine reine passive Show: Nein, eher nicht.


Ich bereue nicht die 90 € in die Hand genommen zu haben und die Show nach 16 Jahren endlich gesehen zu haben, jedoch halte ich einige Elemente für aus der Zeit gefallen und sie sollten dringend erneuert oder ausgetauscht werden. Ich bin mir sicher, dass dies schon an anderen Stellen getan wurde, denn es gibt Anspielungen auf Smartphones und Smartphonezombies, die es vor 16 Jahren wahrscheinlich einfach noch gar nicht gab, weil es damals noch keine Smartphones gab.


Die Show sollte Coronakonform gemacht werden und die Aufforderung andere Menschen an potentiell sexualisierten Körperstellen anzufassen gehört in die 50er Jahre.


Ich glaube diese grenzüberschreitenden Elemente waren in den 00er Jahren noch frisch und mutig, stellen heute aber gesamtgesellschaftlich keinen wirklichen Schock mehr dar. Heute reden wir vor allem über Infektionsschutz! Darüber hinaus: warum sollte ich 90 € für ein Ticket zahlen, wenn ich befürchten muss angespuckt zu werden. Ich bin ja nicht in den 20er Jahren und suche Dadaisten im Club Voltaire auf.


Die Künstler wollen uns mit ihrer Show auf jeden Fall Dinge mitteilen, die wahrscheinlich den meisten Menschen hinter der Show verborgen bleiben. Ich sah Aussagen wie: Nehmt die Welt bewusst war, lasst Euch nicht täuschen, nehmt Euch nicht so ernst und erschafft Kunst wann immer und wo immer du willst. Die Show trägt eine deutlich anarchische Spur mit sich, vor allem mit dem Rave der die Show enden lässt. Ich verließ den Publikumssaal auch nicht mit einem "Ach wie schade, dass es schon vorbei ist"-Gefühl, sondern heiter und gelöst.


Das Publikum war bunt gemischt. Alle Altersklassen waren vertreten. Leider aber nicht nur Altersklassen, sondern auch mehrere Schulklassen. Und wir alle wissen was sich für Dynamiken bilden können, wenn Schüler, unter sich, plötzlich von der Leine gelassen werden und die Akteure auf der Bühne zur Eskalation auffordern. Einige Arschlochkinder in den drei Reihen vor mir hatten Spaß daran das massenweise vorhandene Papier zu Knäueln zusammen zu bündeln und am Anfang nur auf die Bühne zu werfen, in zweiter Ebene aber dann direkt auf die Künstler zu werfen. WAS FÜR WIDERLICHE MISTMADEN! Wie Respektlos und bescheiden muss man denn sein, selbst in so einem Setting die performenden Künstler auf der Bühne zu bewerfen, die gerade zwei Stunde auf der Bühne unter einer Gummimaske geschwitzt haben und das Publikum zu unterhalten. Schämt Euch! Die Künstler hatten antworten auf Lager, denn es gab einen großen Block Gelantine auf der Bühne, mit dem gedroht wurde, dem werfenden Kind eine entsprechende Antwort zu geben. Strafende Blicke aus dem ansonsten Emotionslosen Gesicht gab es natürlich auch.


 

Stage BLUEMAXX Theater

Marlene-Dietrich-Platz 4

10785 Berlin




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